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Islamische Stuckarbeiten

Stuck ist ein zunächst weicher, gut zu bearbeitender, später rasch erhärtender und dadurch Korrekturen ausschließender Werkstoff, der hauptsächlich aus Sand, Wasser und Bindemit­teln (verschiedene Kalke) besteht. Außer glatten, verputzten Wänden mit einer häufig poly­chrom bemalten Stuck­schicht, existieren reliefierte Stuckarbei­ten, deren Ornamente mit Hilfe verschiedener Werkzeuge (Messer, spachtelartige Klingen, Bohrer) in den 'lederharten' Stuck geritzt oder ge­schnitten werden. Zur Befestigung der Stuckverkleidung wurden der Untergrund aufge­rauht und zusätzlich Eisennägel mit breiten Köpfen in den putztragenden Untergrund geschlagen (Haupt­moschee von Cordoba; Ewert 1968, S. 39 f.). Die heute zumeist einfar­big (weiß, grau oder cremefarben) erhal­tenen Stukkaturen (Paneele, Bögen, Kapitelle, etc.) sowie auch die rundpla­stischen Stuckfiguren waren ursprünglich in kräftigen Farben (u.a. rot, blau, schwarz) bemalt (vgl. Aljafería in Zaragoza). Die grundsätzli­che Verfüg­barkeit von Stuck (im Gegen­satz zu Marmor, Stein oder Holz), seine kosten­gün­stige Her­stellung sowie die leichte Bearbeitung führen zu seiner weiten Ver­breitung als Baudekorträger.

Das Motivrepertoire islamischer Stuckarbeiten ist durch eine Vielfalt geome­trischer und floraler/ vegetabi­ler Ornamente, aber auch figürli­cher Darstel­lungen (Tiere, Fabelwesen und imperiale Motive) ge­kennzeichnet. Den geometrischen Ornamentsystemen liegen meist einfa­che Formen (Quadra­te, Hexagone, Oktago­ne, Vielpäs­se, Ster­ne, etc.) zugrunde, die ihrerseits variiert und mit floralen/ vegeta­bilen Elemen­ten kombiniert werden können. Die floralen Motive umfassen (Halb-)Pal­metten, verschiedene Knospen und Blüten, Roset­ten, Wein­ranken, u.a.), die vielfach umgedeutet und abstrahiert werden. Figürlicher Stuckdekor kommt vor allem in den ostislamischen Ländern Syrien, Palästina, Türkei, Iran und Mittelasi­en vor. Das Stuck­fragment einer Sirene aus der Alcaza­ba von Balagu­er, Lerida (2. Hälfte 11. Jh.) gehört zu den wenigen Ausnah­men im Westen (Ewert 1971, Abb. 42; Ewert et al. 1996, S. 162 f., Taf. 71). Die ältesten figürli­chen Stuckreliefs (reale Tiere und mytho­lo­gi­sche Mischwesen, z.B. Senmurv) stam­men aus dem Haupt­palast in Chal Tar­khan/ Eshqabad bei Rayy, Iran (7./ 8. Jh.) bzw. aus Qasr al-Hair al-Gharbi, Syrien (724-43), wo sich schrei­tende Pan­ther an der Kette erhalten haben (Schlumber­ger 1986, Taf. 69 bis d). Im Hauptpalast von Termez am Amu Darya/ Oxus, Süd-Usbe­ki­stan (12. Jh.) ist in der Sockel­zone das seltene Motiv von 'Dop­pel­löwen' (affron­tierte/ ados­sier­te Löwen ver­schmelzen zu einer Figur mit gemeinsamem Kopf) belegt (Deni­ke 1939, Taf. 23), wäh­rend im Qara-Saray, Badr ad-Din Lulus Palast in Mosul (13. Jh.), u.a. männ­li­che Büsten kleine Stucknischen füllen (Sarre-Herzfeld 1911-20, Taf. 96-97). Ikono­gra­phisch interes­sant sind auch die anato­lisch-seldschu­kischen Stuck­paneele. Die Reliefs aus dem Sommer­pa­last Ala ad-Din Ka­iqubads in Qubadabad (1236) zeigen außer Nischenrahmen­den Pfauen einen fürstli­chen Reiter mit Jagdhund und Genie (Otto-Dorn 1966, Abb. 31), der ebenso sowie die Darstel­lung zweier Reiter zu Pferde im Kampf mit Drache bzw. Löwe vom 'Köschk' (Teil des Seldschu­ken-Palastes, 13. Jh.) in Konya, heute in Istan­bul, Türk ve Islam Eserleri Müzesi, Inv.Nr. 2831 (Sarre 1909, Taf. 3; idem 1936, Taf. 11) in den Be­reich der Herr­scherikono­graphie gehört. Die frühesten rundpla­stischen Stuckfi­guren finden sich in den Palästen Qasr al-Hair al-Gharbi (724-43) und Khirbat al-Mafjar (743-44), dessen Bad ein höchst ung­ewöhnli­ches Figuren­reper­toire aufweist: eine große männ­li­che Statue (wohl der Erbau­er al-Walid II.), unbe­kleide­te weibli­che Figu­ren in sasani­discher Traditi­on sowie in der Kuppel des 'Audi­enz­raumes' in einem großen Me­dail­lon sechs Stuck­köp­fe mit negroi­den Zügen (Hamil­ton 1959, Taf. 53-56). Nach einer längeren Zäsur tauchen Stuck­figuren bzw. -köpfe erst wieder in der sel­dschukisch-mongoli­schen Periode in Persien auf (Riefstahl 1929). Von dort stammt auch die 62 cm hohe, männli­che Stuck­figur in Berlin (Muse­um für Islami­sche Kunst, Inv. Nr. I. 2658) mit Resten ihrer ursprüng­li­chen Bema­lung in Blau, Rot und Gold (Abb. 1), die ver­mutlich zu einer Thron­szene gehörte (Sarre 1914, S. 17 f.).

Beginn des Eintrags "Stucco - Islam" (von J. Gierlichs) auf Italienisch in der Enciclopedia dell Arte Medievale, Istituto della Enciclopedia Italiana, Roma, XI, 2000, S. 18-24 https://www.academia.edu/20104154/Stucco_Islam

https://www.treccani.it/enciclopedia/stucco_%28Enciclopedia-dell%27-Arte-Medievale%29/#Islam

Vertreten sind bislang Stuckarbeiten aus Marokko (Fes, Marrakesch, und Tinmal), Ägypten (Cairo), aus der Türkei (Ankara, Ayas, Istanbul, Kubadabad), Palästina (Khirbat al Mafjar), Iran (v.a. Farumad, Forumad), Tadzikistan (Chulbuk/ Khulbuk/ Khul'buk/ Hulbuk, Dushanbe), Usbekistan (Buchara, Samarkand) und dem Jemen (Dawran), weitere folgen ...

Die exzellenten Stuckarbeiten der Moschee in Tinmal finden sich hier

Dienstag, 03. Mai 2022