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Imāmzādagan in Iran: Überlegungen zur Entwicklung und Aus­stattung

Trotz eines in den Hadīṯen ausgespro­chenen Verbotes, über Gräbern Bauten zu errichten, sind überall in der islamischen Koiné seit den ersten Jahrhunderten zahlreiche Grabbauten unterschiedli­cher Form und Funktion belegt. Eine besondere Gruppe unter den Grabbauten stellen die Imāmz­ādagan (pl. von Imāmzāda/ Imāmzādeh) genannten Bauten dar, wobei der Begriff sowohl die Nachkommen der schiitischen Imāme als auch die für diesen  Personen­kreis errichteten Bauten be­zeichnet.
Soweit ich sehe sind unter baugeschichtlichen und kunsthistorischen Gesichtspunkten diese Bauten bzw. ist dieser Bautypus - wenn es denn verbindliche Merkmale gibt, was noch zu klären wäre - bislang nur unzureichend untersucht und publiziert worden.
Die wichtigsten Zentren des Schiitentums liegen außerhalb Irans, in Najaf und Kerbela, wo über den Gräber ʿAlīs (Najaf) und Husains (Kerbala) im Laufe der Jahrhunderte große Pilgerzentren entstanden, in Iran vergleich­bar mit den Heiligtümern in Qumm (für Fāṭima al-Maʿṣūma) und Mashhad (für ʿAlī ar-Riḍā).

Mit Ausnahme des achten Imām ʿAlī ar-Riḍā, der 818 in der Nähe von Tus auf dem Wege nach Baghdad starb, d.h. vergiftet wurde, und dort, dem späteren Mashhad, begraben liegt, sind alle Imāme in Mekka oder im Irak beerdigt: (2.) ḥasan, (4.) ʿAlī  Zain al-ābidīn (gest. 712/ 714), (5.) Muḥammad al-Bāqir (gest. 732) und (6.) Ǧaʿfar aṣ-Ṣādiq (gest. 765/ 757) liegen im Baqīʿ (Friedhof) in Mekka begraben, während (7.) Mūsā al-Kāẓim (gest. 799) und (9.) Muḥammad (gest. 855) in Kāẓiman, (10.) ʿAlī  (gest. 868) und (11.) Al-Ḥasan (gest. 874) in Sāmarrāʾ bestattet wurden.
Unser Interesse gilt jedoch den - zumindest ursprünglich - singulär stehenden, zumeist kleineren Grabbauten, die zu Hunderten, ja vielleicht Tausenden in fast allen Provinzen Irans vorkommen, deren Häufung in den beiden südlich des Kaspischen Meeres gelegenen Provinzen Mazan­daran und Gilan jedoch unübersehbar ist. Die Grabbauten liegen sowohl in den größeren Städten wie Sari, Amol, Babol, Babolsar als auch abseits der heutigen und histori­schen Zentren in kleinen Dörfern oder vereinzelt abseits der Hauptstraßen (Abb.1). Imāmzādagan, die von früheren Reisenden noch außerhalb von Ansiedlun­gen erwähnt wurden, befinden sich heute verdeckt von modernen Bauten innerhalb der ständig wach­senden Städte (Abb.2) . Viele historische Gebäude sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten erneuert, erweitert, verändert und durch Neu­bauten ersetzt worden. Dabei ist häufig mit der historischen Bausub­stanz nicht immer sehr zurückhal­tend umgegan­gen worden. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß das Interesse der Einheimi­schen an dem Gebäude bzw. an seiner Ausstattung - das ist in erster Linie der Keno­taph über dem Grab des Bestatteten - zumeist recht gering ist. Für sie ist in erster Linie von Bedeu­tung, wer dort bestattet liegt bzw. verehrt wird. In diesem Zusammen­hang spielt dann die Frage nach dem Alter sehr wohl eine Rolle.
Die zahlreichen Reisebeschreibungen europäischer Reisender vor allem aus dem 18. und 19. Jh. enthalten, wenn überhaupt, nur sehr kurze und summarische Angaben zu den Grabbauten, mit Ausnahme der großen Schreine in Qumm und Mashhad. Dies hängt zum einen damit zusam­men, daß diese Bauten Ungläubigen in der Regel nicht zugänglich waren, zum anderen sind viele Imāmzāda­gan von außen recht unschein­bar. Zu den Ausnahmen gehört der Russe G. Melgunof, nicht nur Mitglied der Kaiserlichen Geographischen Gesellschaft in St. Petersburg, sondern auch der Deutschen Morgenlän­dischen Gesell­schaft, der zu verschiede­nen Bauten recht genaue Angaben macht. So gibt er für das Imāmzādeh Ibrahim in Meschhe­disar, heute Babolsar, zwei Inschriften jeweils mit der exakten Datierung 841 H./ 1437 und 858 H./ 1454 an.

Eine unschätzbare Quelle stellt die Arbeit von H.L. Rabino di Borgomale aus dem Jahre 1928 dar, der Mazandaran und Gilan als englischer Konsul in den Jahren 1908 und 1909 bereiste und viele Bauten erwähnt, die heute längst verschwunden bzw. stark verändert oder restauriert sind. Sein Hauptinteresse ist historisch begründet, so daß er zahlreiche Inschriften in persisch und einer gekürzten englischer Überset­zung bzw. Zusammenfassung wiedergibt. Viele dieser Inschriften befinden sich auf den Türen und Fenstergittern der Grabbauten, vor allem aber auf den Holzkenota­phen und geben Auskunft über den Bestatteten, den Auftrag­geber, den Künstler und das Datum der Errichtung. Bedauerlicherweise ist seine Publikation ohne jegliche photogra­phische Dokumentation erschienen, so daß eine Überprü­fung seiner Angaben häufig nicht möglich ist.
Wer ist in den Imāmzādagan beigesetzt worden? Wie der Name Imāmzāda/ Imāmzādeh (wörtlich "Sohn des Imām") besagt, sind es in erster Linie die Söhne der Imāme, deren Gräber verehrt werden, doch sind auch Brüder, Schwestern, Mütter und weiter entfernte Ver­wandte und Nachkommen in diesen Bauten bestattet.
Zumeist ist ein Imāmzādeh einer Person gewidmet, es kommen aber auch Bestattungen von mehreren Personen vor. So sind im Imāmzādeh  ʿAbdallāh und Fazlallāh in Rawshanabad, auf das ich noch sprechen kommen werde, zwei Brüder des 8. Imām ʿAlī ar-Riḍās bestattet, und im Imāmzādeh Yaḫyā in Sari befinden sich die Gräber von drei Nachkom­men des 7. Imām Mūsā al-Kāẓim: die beiden Söhne Yaḫyā und ḥusain und ihre Schwester Sakineh. Letztere ist im übrigen nicht zu verwechseln mit Bībī Sakineh, einer Schwester Imām ʿAlī ar-Riḍā, der in Babolsar ein eigenes Imāmzādeh errichtet wurde, nur wenige Hundert Meter entfernt vom Imāmzādeh Ibrāhīm, ein weiterer Bruder Imām Riḍās.
Außerhalb von Rayy (südl. von Teheran) ist der Mutter eines Imām ein Mausoleum errichtet worden, das Imamzadeh BīBī Šahrbanū. Einer frommen Legende, die der Historiker at-Tabari überlie­fert, soll Šahrbanū, Tochter Yazdagirds III., die Mutter des 4. Imām ʿAlī Zain alʿAbidīn gewesen sei: ʿAlī, ḥusains Vater, habe ihm diese entführ­te und in Gefangen­schaft gehaltene Prinzessin zur Frau gegeben, um zu verhindern, daß sie an den Meistbietenden verkauft werde
Es kommt auch vor, daß an verschiedenen Orten der gleiche Imāmzādeh verehrt wird. Ein Beispiel liefert Šāhzādeh ḥusain, Sohn des 8. Imām ʿAlī ar-Riḍā, der im 9. Jh. starb: Sein Grab wird sowohl in dem kleinen gleichnami­gen Imāmzādeh in Sari von 896/ 1490-91 als auch im Šāhzādeh ḥusain in Qazwin verehrt, letzteres wurde in safawidischer Zeit (1588) ausge­schmückt, aber durch Nāṣir ad-Dīn Šāh im Jahre 1889 grundlegend restauriert.

Schließlich wird in der Literatur der Begriff Imāmzādeh nicht immer korrekt verwendet, d.h. es wird von Imāmzādeh gesprochen, obwohl die bestatteten verehrungswürdigen Männer (oder Frauen) in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einem der Imāme stehen.
Insbesondere den zahlreichen Nachkommen des 8. Imām ʿAlī ar-Riḍā sind Grabbauten errichtet worden, was wohl damit zusammen­hängt, daß er der einzige der 12 Imāme ist, der in Iran begraben liegt. Seine direkten Nachkommen und auch die Imām Mūsā al-Kāẓims (gest. 799), sind grosso modo im 9. Jh. gestorben, ihre Grabbauten sind aber erst Jahrhun­derte später errichtet worden; zumindest die heute erhaltenen Bauten stammen aus sehr viel späterer Zeit. Wie läßt sich diese große zeitliche und auch geographische Distanz erklären? Warum werden gerade im 14. und vor allem im 15. Jh. in Gilan und Mazandaran so viele Imāmzādagan erbaut, d.h. noch bevor sich unter den Safawiden die Schia in Iran durchsetzte.
In den nördlichen Provinzen am Kaspischen Meer regieren zu dieser Zeit kleine Lokaldynastien, die bereits seit längerem der Schia anhängen. Die Baduspaniden (660 - 1453) bleiben in abgelegenen Gebieten bis ins 16. Jh. an der Macht (in Nur bis 1567 bzw. in Kojur bis 1597) und parallel regiert ab 1361 bis 1591-2 die Dynastie der Kiyā, d.h. saʿdā (pl. von saiyīd).
Der genaue Zeitpunkt, wann die ersten Imāmzādagan in Iran errichtet werden, läßt sich noch nicht feststellen. Überaus zahlreich sind sie - wie gesagt - im 14. und 15. Jh. belegt, wobei sich außer in den kaspischen Provinzen Mazandaran und Gilan vor allem in Qumm zahlreiche Grab­bauten, darunter viele Imāmzādagan erhalten haben. Aber auch in anderen Städten existieren aus dieser Zeit Bauten, so z.B. in Isfahan das Imāmzādeh Ismāʿīl mit einer komplizierten Baugeschichte oder das Imāmzādeh Ǧaʿfar in Damghan, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Auf der Suche nach vor-mongolischen Imāmzādagan stoßen wir auf das Imāmzād­eh Nūr in Gurgan/ Astarabad (Abb.3), das E. Diez noch ins 18. Jh datiert hatte. R. Hillen­brand konnte jedoch überzeu­gend nachweisen, daß das Mausole­um bereits Ende des 12. Jhs. erbaut wurde, es somit zu den wenigen erhalte­nen Beispielen seldschukischer Architektur in den Provinzen am Kaspischen Meer gehört. Ob es zu dieser Zeit bereits als Imāmzādeh anzusehen ist, erscheint aber frag­lich. Die weitere Geschichte des Grabbaues liegt nach wie vor im Dun­keln, nicht zuletzt, da Inschrif­ten am Bau selbst fehlen, abgesehen von den Inschriften an den Türen und am Kenotaph, auf die noch einzugehen ist. Das Mausoleum ist unter dem ungewöhnlichen Namen Imāmzādeh

Nūr (Licht) bekannt, es wird aber auch als Shāhzāda Isḥāq an­gesprochen. Ob sich dieser Name auf die bestattete Person bezieht, ist nicht klar. Während der Stuckmiḥrāb in die seldschukische Gründungs-Periode gehört, stammen die Türen und der Kenotaph aus timuridi­scher Zeit, worauf Hillenbrand außer einer kurzer Erwähnung nicht weiter eingeht, da sein Interesse einzig der Datierung und Rekonstruktion des Ursprungsbaues gilt. Der außen 12-eckige, innen annähernd quadrati­sche Bau besitzt zwei Eingänge, die mit doppelflügeligen Holztüren verschlossen waren. Einer der Zugänge besitzt noch die originale Tür, die nach verschie­denen Lesungen 857 H./ 145354 bzw. 867 H./ 1463-64 zu datieren ist. Der Kenotaph, der von einem modernen Metall­schrein umgeben ist, soll im Jahre 867 H./ 1463-64 errichtet worden sein, was bislang nicht zu überprü­fen war. Rabino erwähnt keinen Kenotaph, sondern nur eine 'innere Tür' (d.h. es müßte ein Anbau existiert haben), für die er das Jahr 857 H./ 1453 und Amir –Ǧalāl ad-Dīn Bāyazīd als Auftraggeber nennt.
Sollte die Datierung des Kenotaphs stimmen, dürfen daraus dennoch keine voreiligen Schlüsse für das Datum der Tür gezogen, da Türen und Kenotaph keineswegs immer zeitgleich oder auch nur in zeitlicher Nähe entstanden sein müssen. Dies belegen verschiedene Bauten, bei denen die Holzausstat­tung, insbesondere Türen und Kenotaph zeitlich z.T. erheblich (bis zu mehreren Jahrzehnten) voneinander abweichen.
Als ein Beispiel möchte ich das Imāmzādeh ʿAbdallāh wa Fazlallāh in Rawsha­nabad (ca. 18 km westlich von Gurgan) anführen, in dem sich die Gräber von Ibrāhīm und Muḥammad, zwei Brüder des 8. Imām ʿAlī ar-Riḍā (gest. 818) befinden. Rabino erwähnt zwei datierte und signierte Türen (865 H. bzw. 877 H.) und einen Kenotaph über den Gräbern, der 879 H./ 1474 von ustad Ha™™i )Abdallāh geschaffen wurde. Diese Angaben werden von Golombek und Wilber übernommen und zur Datierung des Gebäudes in die Zeit 1460-75 herange­zogen. Der Grab­raum weist einen undatierten Anbau auf, eine Vorhalle, die später an­gebaut wurde. Golombek und Wilber schließen aber eine ebenfalls noch timuri­dische Entstehung nicht aus.

Bei einem Besuch 1995 in Rawshanabad stellte sich folgendes Bild dar: der Kenotaph (879 H./ 1474) war in situ und in gutem Zustand, die beiden erwähnten Türen fehlten und konnten zunächst weder auf dem Kunst­markt noch in Sammlungen bzw. Museen lokalisiert werden. Der Zugang zum Grabraum war zwischenzeitlich mit einer rezenten Eisentür versehen worden (Abb.4). Bei den umfangreichen Recherchen zu den timuri­dischen Holzaus­stattungen wurde im Dar al-Athar al-Islamiyyah (LNS64W) in Kuweit eine Tür entdeckt, für die Rawshanabad als Provenienz angegeben wurde, was zunächst Zweifel hervorrief, da sie erheblich früher, d.h. 824 H./ 1421 datiert ist. Daß sie tatsächlich den Zugang zum Grabraum verschlos­sen hat, belegt eine Photogra­phie aus den 60er oder 70er Jahre in der Inschrif­ten-Publikation von Bivar und Yarshater, dort als 'innere Tür' bezeichnet. Diese Tür dürfte mit der bei Rabino erwähnten 'inneren Tür' (dort 877 H. datiert) identisch sein, da ein Teil der Meistersignatur "... ʿAlī Nīšāpūrī" übereinstimmt. Statt "Kāẓim ..." lautet der Name des Schnitzer "Qutb ad-Dīn ...".
Damit können wir aufgrund der gewonnenen Daten folgende neue Bauabfolge rekonstruieren: Um 1420 wird ein Grabbau für die Brüder Imām ar-Riḍās errichtet, die zugehörige Tür trägt das Datum 824/ 1421. Einige Jahrzehnte später - das Imāmzādeh erfreut sich mittler­weile eines regen Pilgerverkehrs - wird ein Anbau notwendig, der über die 865 H./ 1460-61 datierte 'äußere' Tür sehr wahrscheinlich in diese Zeit anzusetzen ist. Der heute in situ befindliche Kenotaph wurde nochmals einige Jahre später, d.h. im Jahre 879 H. aufgestellt, der wohl anzunehmende zweite Kenotaph ist heute verschwunden, konnte aber kürzlich mit Hilfe der in einer Datenbank gespeicherten Angaben re-lokalisiert werden.
Nach diesen beiden Beispielen, die verdeutlichen sollten, wie stark die Untersuchungen zu den Holzausstattungen auch für die Bauten und ihre Geschichte von Bedeutung sein können, möchte ich noch einige generel­le Überlegungen zu den Imāmzādagan anstellen.

Zunächst müßte eine Typologie für die Imāmzādagan erarbeitet werden, ausgehend von den Monumenten des 14. und 15. Jh., die durch systemati­sche Untersuchungen relativ gut bekannt sind. In dieser Zeit scheinen keine eigenstän­digen Bautypen für Imāmzādagan entwickelt, sondern vielmehr vorhandene Typen, wie z.B. die Grabtürme mit rundem, rechtecki­gem oder polygonalem Grundriß, genutzt und abgewandelt worden zu sein, um den relativ geringen räumlichen Anforde­rungen zu genügen. Wie aber sieht es in safawidischer Zeit und danach aus? Welche regionalen Sonde­rentwicklun­gen hat es z.B. in Mazandaran und Gilan gegeben?
Was wissen wir schließlich über die Ausstattung der Bauten, blieb sie im wesentlichen unverändert im Laufe der Jahrhunderte oder gab es deutli­che Veränderun­gen? Die Innenausstattung hat sich anscheinend weit­gehend auf den über dem Grab stehenden Kenotaph konzentriert. In der Regel aus Holz, sind jedoch auch Scheinsarkophage aus anderen Materiali­en überliefert: gemauerte und mit Fayence-Kacheln verkleidete Kenotaphe haben sich z.B. im Imāmzādeh A_mad in Limrask und im Imāmzādeh Ta— ad-Dīn in Kashan erhalten.
Heute sind die Kenotaphe grundsätzlich mit zumeist grünen Tüchern bedeckt, z.T. regelrecht verhüllt, was ihre Untersuchung erschwert. Der geometrische und vegatabile Dekor, aber auch die z.T. sehr qualitätvol­len Inschriften sind somit nicht zu sehen und damit auch nicht zu lesen. Da dies nicht immer so gewesen sein dürfte, stellt sich die Frage, wann der Brauch, den Kenotaph zu bedecken bzw. zu verhüllen, einge­führt wurde?
A. Daneshvari weist in seiner Untersu­chung zu den mittelalterlichen Grabtür­men in Iran darauf hin, daß in der Frühzeit die Gräber mit Blättern bedeckt (Grab der Fāṭima) oder durch ein darüber errichtetes Zelt (Grab Ḥasans) vor der Sonne geschützt wurden. Dieses "Schattenspen­den" möchte er als ein Paradies-Symbol verstanden wissen. Ohne darauf näher eingehen zu können, wäre es möglich, daß diese alte Tradition hier fortlebt.
Praktische Gründe dürften dagegen die verschiedenen Abschrankungen bzw. die rezenten Metallschreine haben, die seit ca. 30 Jahren in den bedeuten­deren Imāmzādagan die Kenotaphe vor den ungezählten Berührungen mit Händen und Mund der Pilger schützen und den Dieb­stahl, leider auch die Untersuchung, verhindern.

Die meisten Bauten scheinen, was den Dekor des Innenraumes anbe­langt, recht schlicht ausgestattet gewesen zu sein. Im unteren Wand­bereich haben sich teilweise farbige Kacheln erhalten, deren Datierung jedoch zumeist nicht geklärt ist. Der Übergang zur Kuppel ist häufig durch flache Nischen gegliedert und akzentuiert, während die farbige Ausma­lung der Kuppel, wie sie im timuridi­schen Imāmzādeh Tahir wa Mutahhir in Hazarkhal bei Kojur (849/ 1445) existiert, dem 19. Jh. entstammen dürfte.
Späte Imāmzādagan in Mazandaran und Gilan - einfache rechteckige Einraumbauten mit einer allseits umlaufenden Veranda - verlagern den Dekor sichtbar nach außen, indem die Wände mit Geschich­ten aus dem Leben der Imāme, vor allem Ḥusains geschmückt werden. Ich zeige das Imāmzādeh Aqa Saiyīd Muḥammad ibn Imām –Ǧaʿfar Ṣādiq in Pinjan bei Astane in Gilan: Drei der vier Außenwände sind völlig mit Wandmale­reien bedeckt, die vierte, nach Mekka orientierte, ist außen undekoriert, dafür jedoch innen mit Malereien geschmückt.
Außer Szenen des tragischen Kampfes Ḥusains gegen die Umaiyaden ist u.a. die Himmelfahrt der Propheten Muḥammad dargestellt, ein Thema, das aus der Buchmalerei in vielen Beispielen bekannt ist (Abb.5). Die Ikonographie weist typische Züge der Spätzeit auf, so z.B. den Pfauen­schweif al-Burāqs, der zuerst im 16. Jh. in Buchillustrationen belegt ist, Verbreitung aber erst im 18. und 19. Jh. erlangt. Diese bislang weit­gehend vernachlässigten Malereien müßten aufgrund klimabedingter und anderer Gefährdungen möglichst bald dokumentiert und untersucht werden, bevor, wie schon in vielen anderen Fällen, wichtige Kultur­zeugnisse Irans unwiderruflich verlorengehen.

Vollständiger Text (ohne Anm. u. Abb.) von Imamzadagan in Iran: Überlegungen zur Entwicklung und Ausstattung, in: Akten des 27. Deutschen Orientalistentages (Bonn, 28. September bis 2. Oktober 1998), hrsg. von Stefan Wild und Hartmut Schild. Würzbburg 2001, 555-65.

Copyright: Joachim Gierlichs